Prof. Dr. Claus Doberauer
ev. Krankenhaus, Gelsenkirchen
In Hinblick auf die berufliche Tätigkeit
eines Leberkranken sind vor allem die infektiösen Virushepatitiden
von Bedeutung. Grundsätzlich kann es aber bei allen Lebererkrankungen
in Abhängigkeit vom Beschwerdebild sowie möglichen
Folgezuständen und Komplikationen zu Beeinträchtigungen
der Berufsausübung bis hin zur vollständigen Erwerbsminderung
kommen. Einschränkungen der Berufsfähigkeit sind
zumindest vorübergehend auch unter bestimmten Therapiemaßnahmen,
z. B. antivirale Therapie mit Interferonen, zu erwarten.
Die
akuten Virushepatitiden A und E werden ganz überwiegend
durch fäkal-orale Schmierinfektion, kontaminiertes Wasser
oder bestimmte Lebensmittel, z. B. Meeresfrüchte, übertragen
und gehen bei Erwachsenen meist mit einer richtungsweisenden
Beschwerdesymptomatik einher.
Häufig gingen Reisen in so genannte Endemiegebiete voraus
oder es lagen andere Risikokonstellationen vor. Dagegen werden
das Hepatitis-B-Virus (HBV), das Hepatitis-C-Virus (HCV) und
auch das inkomplette Hepatitis-D-Virus, welches nur in Verbindung
mit HBV infektiös ist, parenteral übertragen.
Dazu sind der direkte Kontakt mit dem Blut eines Infizierten,
z. B. bei intravenös Drogenabhängigen, oder das
Eindringen von Viren über die Schleimhäute, z. B.
beim Sexualkontakt oder bei der Geburt, notwendig. Eine Übertragung
durch Speichel ohne kleine Blutbeimengungen (HBV) ist unsicher.
Ein Ansteckungsrisiko für Andere besteht sowohl während
der häufig asymptomatischen akuten Erkrankungsphase als
auch während des chronischen Virusträgerstatus.
Die Infektionsgefahr durch HBV ist wesentlich höher als
durch HCV. Während einer festgestellten akuten Virushepatitis
besteht Arbeitsunfähigkeit, welche durch einen chronischen
Virusträgerstatus allein nicht begründet ist.
Entsprechend
des Infektionsschutzgesetzes besteht eine namentliche Meldepflicht
an das zuständige Gesundheitsamt schon bei Verdacht auf
eine akute Virushepatitis sowie bei Nachweis der Hepatitisviren
A bis E im Sinne einer akuten Infektion. Bei HCV müssen
alle Nachweise gemeldet werden, soweit eine chronische Infektion
nicht bereits bekannt ist.
Im Falle einer möglichen Ansteckung durch Kontakt mit
einer infizierten Person sowie durch eine Schnitt- bzw. Stichverletzung
oder Blutspritzer auf die Schleimhaut, z. B. der Augen, gibt
es bei fehlendem Impfschutz die Möglichkeit einer direkten
passiven Impfung (Verabreichung von Antikörpern) bis
zu 10 Tagen nach Exposition bei Hepatitis A und möglichst
rasch, spätestens jedoch innerhalb von 24 - 48 Stunden,
bei Hepatitis B.
Zusätzlich sollte insbesondere bei Hepatitis B eine simultane
aktive Impfung (Anregung zur eigenständigen Antikörperbildung)
vorgenommen werden. Für Hepatitis C und E stehen diese
Prophylaxemaßnahmen bisher nicht zur Verfügung.
Ist ein eventuelles Infektionsereignis während
der beruflichen Tätigkeit, meist im medizinischen Bereich,
eingetreten, sollte dies sofort gemeldet werden. Von ärztlicher
Seite werden dann die notwendigen diagnostischen und gegebenenfalls
auch therapeutischen Maßnahmen erfolgen. Im Falle einer
Virushepatitis aufgrund der schädigenden Einwirkung während
der versicherten Tätigkeit wäre eine wesentliche
Voraussetzung für eine mögliche Berufsunfallrente
gegeben. In Bezug auf die Berufskrankheit werden die Kosten
der weiteren medizinischen Versorgung durch die zuständige
Berufsgenossenschaft übernommen.
Im Hinblick auf eine mögliche Infektion
Anderer bei der Ausübung der Berufstätigkeit ist
es von großer Bedeutung, dass man selbst um seinen Infektionsstatus
weiß. Bei bekannter Infektion, meist chronische Hepatitis
B oder C, kann das Risiko der Übertragung durch Beachten
weniger Sicherheitsvorkehrungen minimiert werden. So sollten
bei akuten Verletzungen Helfer auf den Virusträgerstatus
aufmerksam gemacht werden. Bei großflächig nässenden
Hautveränderungen sind besondere Schutzmaßnahmen
erforderlich. Selten kann es auch zum Ausschluss von infizierten
Personen aus Gemeinschaftseinrichtungen kommen, wenn aufgrund
aggressiven Verhaltens eine hohe Verletzungsgefahr besteht.
Eine nicht zu unterschätzende Ansteckungsgefahr geht
von den vielen noch unerkannten Hepatitisvirusträgern
aus.
Grundsätzlich sollte daher ein möglicher
Blutkontakt vermieden werden, wozu schon das Anziehen von
Handschuhen, z. B. bei Erster Hilfe, ausreichend ist. Im Hinblick
auf eine Hepatitis B sei auf die Empfehlung der ständigen
Impfkommission (STIKO) hingewiesen, alle Kinder und Jugendlichen
bis zum vollendeten 18. Lebensjahr aktiv zu impfen. Eine aktive
Impfung gegen Hepatitis A und B ist auch bei chronisch Leberkranken
ohne eine bereits bestehende Immunantwort indiziert.
Bezüglich
eventueller Einschränkungen im Arbeitsleben eines Hepatitisvirusträgers
kommt es auf das Arbeitsumfeld und die zu verrichtenden beruflichen
Tätigkeiten an.
Bei den meisten Berufsgruppen besteht kein arbeitsplatzspezifisch
erhöhtes Verletzungsrisiko mit der Gefahr der Virusübertragung
auf Andere. Dagegen ist die Ansteckungsgefährdung in
bestimmten Branchen aufgrund des Umgangs mit spitzem und scharfem
Instrumentarium erhöht.
Hierzu zählen unter anderem die Lebensmittelbranche,
z.B. Fleischer, das Baugewerbe, z.B. Isolierer, oder auch
medizinische Berufsgruppen, genannt seien beispielsweise Chirurgen.
Gerade im medizinischen Bereich kann es neben allgemeinen
Vorsichtsmaßnahmen wie häufigerer Händedesinfektion,
Tragen doppelter Handschuhe bzw. so genannter Indikatorhandschuhe
(zeigen eine Perforation des Außenhandschuhes an) oder
Unterlassen bestimmter risikoreicher Tätigkeiten, notwendig
werden, Änderungen des Arbeitsbereiches des Betroffenen
vorzunehmen.
Dies sollte aber durch ein fachkundiges Gremium innerhalb
des zuständigen Krankenhauses unter Hinzuziehung eines
Arztes des Gesundheitsamtes entschieden werden. Ein Verbot
der Berufsausübung ist in der Regel nicht notwendig.
Wichtig ist auch, den Betroffenen auf therapeutische Maßnahmen
hinzuweisen. Bei schwerem Krankheitsbild mit lang andauernder
Arbeitsunfähigkeit besteht von Seiten des Arbeitgebers
die Möglichkeit der Kündigung.
Eine
Lebererkrankung kann versorgungsrechtlich eine Behinderung
darstellen. Von einer Behinderung ist auszugehen, wenn die
körperliche Funktion, die geistige Fähigkeit oder
seelische Gesundheit eines Menschen nicht nur vorübergehend
von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht
und daher die Teilhabe des Betroffenen am Leben in der Gesellschaft
beeinträchtigt ist.
Eine Schwerbehinderung liegt vor, wenn der Grad der Behinderung
mindestens 50 % beträgt, was dann soziale Vergünstigungen
wie beispielsweise einen größeren Kündigungsschutz
zur Folge hat. Zur Feststellung des Grades einer Behinderung
und des Vorliegens von Merkzeichen für bestimmte auszugleichende
Nachteile, z. B. Gehbehinderung, ist ein Antrag beim örtlichen
Versorgungsamt notwendig.
Hat eine Lebererkrankung zu einer Einschränkung
der Erwerbsfähigkeit geführt, so dass der Betroffene
entweder teilweise (mehr als drei, aber weniger als sechs
Stunden täglich) oder gar vollständig (weniger als
drei Stunden) nicht mehr in der Lage ist, den Anforderungen
eines normalen Arbeitstages zu genügen, kann bei Erfüllung
aller formaler Voraussetzungen eine Rente wegen Erwerbsminderung
gewährt werden. Diese ist zunächst befristet auf
längstens drei Jahre, kann aber verlängert werden,
wenn aus ärztlicher Sicht eine Besserung des Gesundheitszustandes
nicht eingetreten ist und voraussichtlich auch nicht eintreten
wird.
Prof. Dr. Claus Doberauer
ev. Krankenhaus, Gelsenkirchen